Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Emsland

Storchennest Idehörn

Storchennest Idehörn © Andreas Wotte

Erster Mai 2021 - Die Oldenburg-Emsland-Tour

Natürlich war bei mir die Freude groß, als vor einigen Wochen Dietrich vorschlug, eine gemeinsame Emsland-Tour zu fahren. Schließlich bedeutete das, auf den Olymp der Hardcorebiker eingeladen zu werden. ...

Denken wir nur an die diversen Touren Dietrichs über 300 und 400 Kilometer, oder der einschüchternden Mammuttour Bremen-Hamburg-Berlin-Bremen mit 800 Km.

Nun spreche ich dabei natürlich nicht von den RennradfahrerInnen, bei denen es beim Radfahren um Höchstleistungssport geht, von jenen, die jedes Gramm an ihrem Bike einsparen, sich bis zum Limit selbst optimieren, um auch den letzten Kommawert ihrer Geschwindigkeit herausholen wollen. Nein ich spreche von all den vielen, die freizeitorientiert die Gegend genießen und ihre Leistungsgrenzen erweitern.

Also bereitete ich mich schon mal auf mein erstes 300er vor, nachdem ich im Vorjahr bereits die 260 km überschritt. Bremen – Leer – Papenburg und zurück. So sollte es ungefähr aussehen. Aber egal, wie wir es rechneten, wegen der zeitlichen Grenzen der Ausgangssperre ließ sich beim besten Willen daraus keine sinnvoll relaxte Tour basteln. Es war zum Haare raufen.

Also erkannten wir die auferlegten Begrenzungen an und planten eine nette 200-Km-Tour ab Oldenburg. Nichts also, was erprobte RadlerInnen ernsthaft fertigmachen sollte. Das ermöglichte mir, nicht schon am Vortag anreisen zu müssen und erst am Folgetag wieder wegzukommen.

So trafen wir uns dann an diesem 1. Mai im Jahre 2 n.Cor. vorm Bahnhof in Oldenburg. Die Wettervorhersage versprach, nicht übermäßig von hautkrebsfördernder Sonne belästigt zu werden. Besser noch: Ab mittags würden unsere Körper durch sanfte Beregnung kontinuierlich feucht gehalten werden. Also alles bestens und los ging’s so gegen 7:45 Uhr.

Video: Erster Mai 2021 mit Dietrich | Die Bilder im Video sind von mir ;-)

Erstmal aus Oldenburg raus und dann dem 1.Mai-Tour-Weg der Oldenburger gen Bad Zwischenahn an der Bahnlinie entlang. Es war toll, zu dieser Morgenstunde nur wenig Traffic auf der Route zu haben. In Bad Zwischenahn am See angekommen erbot sich uns ein wunderbarer Blick mit sanften Übergängen auf einen in Morgennebel gehüllten See. Nur kurz genossen wir das Ambiente, bevor wir auf einer weniger romantischen, aber zu dieser Zeit wirklich gut zu fahrenden Route den Weg nach Barßel fortsetzten. Dieser führte uns am Godensholter und Nordloher Tief vorbei.

Am Hafen angekommen machten wir nach rund 40 km ein kleines Päuschen. Links und rechts erstaunlich viele Angler am Hafen, die offenbar schon die halbe Nacht dasaßen. Neben uns der schnuggelige Leuchtturm und Wahrzeichen des Hafens ließen wir den Blick über den Hafen gleiten. Auf der anderen Seite viele Boote und das Themenrestraurant „Queen Of Texas“.

Es folgte die Ledaroute, dem landschaftlichen Highlight westlich von Barßel mit tollen Wegen an Leda und Jümme entlang. Wir nahmen die südliche Leda-Route, da ebenfalls ein Besuch im Holter Hammrich, einem weit ausgedehnten Vogelschutzgebiet, geplant war. Die Tour entlang der Leda war Genuss pur und der Anblick des Vogelschutzgebietes im Holter Hammrich unbezahlbar.

Der nächste Stopp fand dann ganz in der Nähe, kurz hinter Backemoor, an einem besetzten Storchennest statt, wo, wie vielerorts, gerade gebrütet wurde. Eine kleine Vesper zur Mittagszeit im Schatten der Störche nahm zeitlich etwas viel Raum ein. Also merkten wir schon, uns nun etwas mehr beeilen zu müssen. Flugs also weiter an die Ems, an der geschrotteten Eisenbahnbrücke vor Weener vorbei, die nun schon viel zu lange brachliegt und vermutlich erst in vielen Jahren wirklich erneuert wird. Bis dahin muss alle Welt nun über Leer fahren und Züge von Leer nach Groningen gibt’s nicht mehr. Es folgte auf dieser Ems-Route Leer-Papenburg das obligatorische Highlight „Mühle in Mitling Mark“. Die Mühle und das höchst romantisch angelegte Dorf würden an sich auch etwas mehr Aufmerksamkeit verdienen. Das galt aber auch schon für das Vogelschutzgebiet. Wir hatten ja noch einiges vor uns. …

Es kam also was kommen musste, das Unausweichliche, das Must-Have aller Papenburg-Touristen: die Meyer-Werft. Ein ungewöhnlicher Hersteller von Luxus-Liner mitten im Binnenland. Man sollte meinen, andere in richtigen Hafenstädten wie Hamburg, Bremen oder Wilhelmshaven würden das besser machen können. Aber irgendwie haben die Leute dort im nördlichen Emsland etwas, was dies möglich macht. Wir bestaunen also diese mittlerweile gigantische Werftanlage die auch schon von weitem aus jedem Flugzeug zu sehen ist, egal von wo man startet.

Gut Altenkamp in Aschendorf
Gut Altenkamp in Aschendorf © Andreas Wotte

Nach einer obligatorischen Fahrt vom Bahnhof in Papenburg den wunderbar angelegten Hauptkanal entlang genießen wir kurz das Ambiente zwischen Rathaus und St. Antonius Kirche an der B70, die schnöde die Stadt durchschneidet auf dem Weg vom Ruhrgebiet nach Emden. Am Bokeler Volkspark entlang radeln wir nach Aschendorf, umrunden das Gut Altenkamp und kommen bald an der Schleuse in Herbrum an. Von hier trennt sich das Gesicht der Ems: Nördlich die Gezeiten, hohe Deiche, oft graubraun durchwühltes Wasser, vom Schlick durchsetzt, dem Wattenmeer gleich; südlich ein ruhig fließender Fluss mit grünen Auen, weidenden Kühen, die aus dem Fluss trinken, kleinen Inseln in dem recht breiten Gewässer und natürlich einem exzellenten Radwanderweg der von hier über Dörpen und Lathen nach Meppen, Lingen und Rheine führt.

Nicht aber uns, die wir nun kurz innehalten und das Zeitmanagement erneut in Angriff nehmen, da unheilvoll die Zeiger der Uhr drohen: „Ihr schafft es nicht mehr über Wippingen, Sögel und Werlte zur Thülsfelder Talsperre, Ha!“ Zwei etwas geknickt wirkende Radler rechnen, berechnen, kalkulieren, lassen den Routenplaner rechen und tatsächlich: Die Tour musste gekürzt werden, komme was da wolle, wenn wir vor 20:33 in Oldenburg am Hauptbahnhof ankommen wollen. Ich war … frustriert. Dietrich irgendwie auch. Immerhin konnten wir noch dem Emsradwanderweg bis Dörpen genießen. Und ein Genuss war das wirklich. Man muss dieses Teilstück befahren haben, um das romantische Antlitz des Emslandes wirklich zu erblicken.

Dann flugs auf die Küstenkanalroute. Schließlich führt dieser auf direktem Weg nach Oldenburg. Und hier geschah das Wunder: Während wir auf dem Weg nach Westen Gegenwind hatten und auf der Südroute gemeinerweise der Wind auch auf Süd drehte und uns weiter entgegenblies, drehte er erneut. So hatten wir plötzlich Rückenwind, was zu durchgehenden Geschwindigkeiten jenseits der 25 km/ führte. LobetdenHerrn! Nun konnten wir uns doch noch einen kleinen Schlenker über den Rand des Hümmlings leisten und bogen ab gen Neubörger, Börgerwald und Breddenberg, arbeiteten uns die Steigung hoch und bretterten über den neuen Radweg am Segelflugplatz am Steinberg entlang bis Breddenberg.

Natürlich war es schade, weder die alte Teststrecke der Magnetschwebebahn, noch das Schloss Clemenswerth, noch das Theikenmeer hinter Sögel gesehen zu haben. Und am schwersten wog, nicht mehr die Thülsfelder Talsperre mitgenommen zu haben. Aber immerhin führte uns der Weg noch über Lorup, bevor wir sturmesgleich nach Friesoythe nagelten, das von der Soeste gequert wird, eben jenem Fluss, den wir bereits in Barßel erblickten.

Vor Friesoythe dann der nächste Schock: Eine Nachricht auf meinem Handy verriet, Solotalent und Ultrastefan kamen uns auf unserer geplanten Route entgegen um uns mit einem spontanen Treffen zu beglücken. Geile Idee Leute, wenn, ja, wenn wir noch auf dieser fahren würden. Ich kotzte! Also innerlich. Frustriert musste ich an Robert Falcon Scott denken. Es sind eben solche pathetischen Gedanken, die mir verraten, das meine Endorphinwerte langsam in die Höhe schnellen. Von nun an würden sie nur noch steigen.

Wir kamen in Friesoythe an. Dietrich dachte an einen Kaffee, ich dachte an den Zug. Also verschnauften wir nur kurz. Immerhin konnten wir wenigstens von hier aus wenigstens den Weg über die Wassermühle an der Lethe bei Wardenburg nehmen, denn auch diese ist ein Must-Have für alle Radtouren im Oldenburger Land. Und wir waren froh, auch dieses Ziel noch geschafft und den herrlichen Anblick genossen zu haben.

Zufrieden radelten wir dann die letzten Kilometer nach Oldenburg ab. Unsere Hoffnung wuchs mit jedem korrigierten Rechenfehler des Routenplaners, wenigstens noch die 200 km voll zu machen. Die Zuversicht darauf wuchs seit Lorup mit jeder römischen Meile. Vor den Toren Oldenburgs herrschte nun auch Klarheit. Also kamen wir dann um 20:13 am Hbf. in Oldenburg nach 200 Kilometern und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 22,1 km/h an und konnten uns noch ordentlich verabschieden, bevor der Zug mich um 20:33 Uhr wieder nach Leer bringen sollte. Es war eine tolle und locker zu fahrende Tour mit vielen schönen Erlebnissen. Die Wermutstropfen, durch die nicht erreichten Zielorte und unsere verpassten Freunde und Weggefährten auf Komoot entstanden, wurden von den Fluten unserer körpereigenen Endorphine wie ein abgerundeter Whiskey weggespült. Schließlich zeichnen sich am Horizont ja schon neue Abenteuer und eine explizite Hümmlingtour in den sanften Farben der untergehenden Sonne ab.

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Bild: Andreas Wotte bei der Arbeit

Blogger: Andreas Wotte

Andreas Wotte ist Mitglied im ADFC Emsland, Alltagsradler und Extrem-Biker. Wir freuen uns, auf den Seiten des ADFC-Emsland seine Beiträge zum #abseitsradeln bereitstellen zu können und wünschen viel Vergnügen beim Lesen.

Du kannst zu ihm direkt hier Kontakt aufnehmen:

e-Mail an Andreas Wotte

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