Interview: Nane Langius - Radverkehrsbeauftragte der Stadt Meppen
Als Radverkehrsbeauftragte der Stadt Meppen setzt sich Nane Langius für die Mobilitätswende in Meppen ein. Da weckt die Online-Umfrage Rad- und Fußverkehrsstrategie Hoffnungen. Wir haben mit der Fachfrau hierüber und mehr gesprochen:
- Frau Langius, mit Ihrer expliziten Einstellung als Rad- und Fußverkehrsbeauftragen hat die Stadt Meppen einen ernstzunehmenden Schwerpunkt auf die Interessen der Radfahrenden und Fußgänger*innen gesetzt, die wir als ADFC Emsland sehr begrüßen. Damit gehört die Stadt Meppen zu wenigen Städten, dieser Größenordnung mit einer solchen Planstelle. Wo sehen Sie als Bauingenieurin mit Schwerpunkt Verkehrswesen Ihre Schwerpunkte?
Ich halte es für wichtig, zunächst einmal das ganze Thema „Rad- und Fußverkehr“ in der Öffentlichkeit in den Fokus zu bringen. Ein wachsendes Bewusstsein für das Thema in der Bevölkerung, hilft bei der Motivation, häufiger das Rad als Alltagsverkehrsmittel zu nutzen. In meiner Arbeit geht es darum, dem Rad- und Fußverkehr mehr Raum zu geben, damit die Bürger*innen der Stadt und des Umlands beim Radfahren und auf den Fußwegen in der Stadt sicher fühlen. Nur dann gelingt es uns auch mehr Menschen auf’s Rad zu bringen. Die Meppener*innen und Besucher*innen der Stadt sollen mit Freude das Rad- und Fußwegenetz der Stadt nutzen können.
- Sie sehen in Ihrer Arbeit also das Fahrrad und die Menschen im Mittelpunkt einer modernen Verkehrsplanung.
Sicher, dies ist ein wichtiger Teil der Verkehrswende, die die Kommunen landauf landab in naher Zukunft bewältigen müssen. Überdies arbeite ich natürlich aktiv an den bereits bestehenden Projekten mit, die ja auch schon vor meiner Einstellung in Gang gesetzt wurden.
- Was gehört da aktuell zu?
Zunächst einmal ist da die Entwicklung einer Rad- und Fußverkehrsstrategie zu nennen. Hier gilt es eine gute Datenbasis zu schaffen, indem wir den Ist-Zustand des Rad- und Fußwegenetzes in der Stadt genau analysieren. Dabei spielt die Wahrnehmung der Meppenerinnen und Meppener eine wichtige Rolle. Was sind die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger*innen für eine gute Rad- und Fußverkehrsentwicklung. Deshalb ja auch die Umfrage.
- Schön, dass Sie gleich in medias res gehen: Die Stadt Meppen hat vor einiger Zeit eine Onlineumfrage zur Rad- und Fußverkehrssituation gestartet, an der man noch bis Ende Juli teilnehmen kann. Das ist ein gewagtes Unternehmen, bei dem Sie nicht wissen können, wie das Echo ausfällt.
Wir wollen ja auch tatsächlich herausfinden wo aus Sicht der der Einwohner*innen der Schuh drückt, um so bei der Entwicklungsplanung des Rad- und Fußverkehrs möglichst optimal den Wünschen und Bedürfnissen der Radfahrenden und Fußgänger*innen zu entsprechen. Es macht ja keinen Sinn, eine Verkehrsplanung im Rahmen der Verkehrswende am Grünen Tisch und am Bürger*innenwillen vorbei zu planen.
- Und wie läuft’s?
Momentan ganz gut, die Onlineumfrage wird gut angenommen. Bislang haben sich über 600 Personen beteiligt. Bis Ende Juli könnte sich die Teilnehmendenzahl noch deutlich erhöhen.
- Das hört sich ja ganz vielversprechend an. Gemessen an der Einwohnerzahl Meppens werden Sie mit der Onlineumfrage eine repräsentative Antwort erhalten. Was ist das Ziel der Umfrage?
Wie gesagt, wir wollen die zukünftige Weiterentwicklung auf dem Weg zu einer fahrrad- und fußgängerfreundlichen Stadt die Bürger*innen nicht einfach nur mitnehmen, sondern deren Willen in unsere Planung einfließen lassen. Ebenfalls interessiert uns bei der Umfrage ja auch, welche unserer bisherigen Ansätze positiv gesehen werden, und welche Maßnahmen Erfolg gezeigt haben. Dadurch sind wir in der Lage, zu entscheiden, bestimmte Konzepte weiterzuentwickeln oder zu modifizieren. Dabei orientiere ich mich an dem Leitgedanken, den Verkehr innerhalb der Stadt möglichst klima- und umweltschonend zu gestalten.
- In diesem Rahmen fallen ja zwei Maßnahmen aktuell besonders ins Auge. Zunächst einmal ist da das grade in der Verabschiedung befindliche Testmodell der Fahrradzonen. Was hat es damit auf sich und warum nur als Test für 6 Monate?
Mit der Testphase wollen wir die Auswirkungen der Fahrradzonen auf den Gesamtverkehr beobachten und analysieren. Der Verkehr innerhalb einer Stadt ist wie ein Organismus. Daher ist es wenig hilfreich, ganz statisch neue Regeln festzulegen, ohne zu berücksichtigen, wie die Auswirkungen sind. Deshalb starten wir ja auch die Testphase mit Beginn der Sommerferien, einer Zeit mit vermindertem, innerstädtischen Verkehr. So sehen wir schon in den ersten 6 Wochen mit reduziertem Verkehrsaufkommen, wie das Konzept funktioniert.
Besonders berücksichtigen wollen wir in der sechsmonatigen Testphase die Auswirkungen auf die Verkehrsknotenpunkte in der Stadt. Wenn sich hier Probleme entwickeln sollten, können wir das Konzept entsprechend nachjustieren. Das Schöne an der Experimentierklausel: sie schafft die notwendige Freiheit, die wir für Entscheidungen und Umentscheidungen benötigen. Vor allem aber liegt mir auch die Akzeptanz der Bürger*innen am Herzen.
- Sie sprechen von Fahrradzonen statt von Fahrradstraßen. Was ist der Unterschied und was ist die Idee dabei?
Die Fahrradzonen sind flächenhaft angelegt. Das heißt, Fahrradzonen bestehen aus mehreren Fahrradstraßen, ein Gebiet also, in dem die Radfahrenden generell Vorrang vor dem Kraftverkehr haben. Die Idee dabei ist, insbesondere für den Rad- und Fußverkehr für mehr Sicherheit zu sorgen. Ebenfalls werden die Fahrradzonen für mehr Aufenthaltsqualität in der Stadt sorgen.
- Das hört sich nach einem weitergehenden Plan an.
Ja, genau. Ziel mit der Schaffung der Fahrradzonen ist es, den Durchgangs- und Kraftverkehr innerhalb der Stadt Meppen zu reduzieren. Bisherige Untersuchungen zeigen, dass die Belebung der Innenstädte durch Radfahrende und Fußgänger*innen entsteht. Diese ermöglichen eine hohe personelle Dichte in den Innenstädten. Im Vergleich benötigen Besucher der Innenstadt mit dem PKW sehr viel mehr Platz.
- Der rar ist?
Genau!
- Aber werden dann nicht die Autofahrenden benachteiligt?
Eines der guten Aspekte des Konzeptes der Fahrradzonen besteht darin, dass wir dank der vorhandenen, zentrumsnahen Parkhäuser faktisch dem PKW-Verkehr keine Stell- und Parkflächen wegnehmen. So stellen wir auch für die Besucher*innen von außerhalb, die nicht mit dem Rad kommen können, die Erreichbarkeit Meppens mit seinen vielfältigen Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten sicher.
- Thema Brücken: Mit der Ostrolekabrücke und der Riedemannbrücke scheint sich Meppen zu einem Eldorado für Fahrradbrücken zu entwickeln. Es scheint beeindruckend, in welcher Geschwindigkeit die recht kostspieligen Projekte umgesetzt werden konnten. Gibt es noch weitere Pläne, auf die die Meppener*innen hoffen dürfen?
Es ist ein besonderes Anliegen des Bürgermeisters Knurrbein, der sich für die Realisierung der Projekte einsetzt. Ihm ist es ein Anliegen, den Rad- und Fußverkehr an Ems und Hase zu optimieren. Die Stadt Meppen konnte für diese vorbildlichen Brücken Förderprogramme der INTERREG für die Ems-Dollard-Region (EDR) und dem Programm „Stadt- und Bauprojekte rechts der Ems“ optimal nutzen. Das hat in der Sache ebenfalls sehr geholfen. Als nächstes freue ich mich natürlich besonders, mich um die Realisierung der Fahrradbrücke zwischen Schwefingen und Geedste / Klein Hesepe kümmern zu dürfen.
- Das wird dann die dritte prestigeträchtige Fahrradbrücke. Was ist das Besondere an der Sache?
Zunächst einmal ist es ja schon ein lang gehegter Wunsch der Bürger*innen der Region, hier eine Brücke für den Radverkehr zu realisieren, den die Stadt Meppen mit der Gemeinde Geeste jetzt dank geeigneter Förderprogramme endlich umsetzen kann. Die 100 Meter lange Brücke wird eine Wegbreite von 2,50 Metern die Wege des Radverkehrs zwischen Meppen und Geeste erheblich verkürzen. Damit wird das Radfahren auf dieser Strecke als Alternative zum PKW-Verkehr deutlich attraktiver, die Wege vieler Arbeitnehmer*innen z.B. wesentlich verkürzt.
- Bei Ihrer Arbeitsgeschwindigkeit frage ich mich in welchen Zeiträumen sie denken.
Auch hier kann ich lobend erwähnen, dass Politik und Verwaltung von dem Projekt überzeugt sind und Hand in Hand arbeiten. Folglich läuft die Planung der neuen Brücke in Kooperation mit der Gemeinde Geeste planmäßig.
- Das heißt?
Anfang Juli steht der Vorentwurf. Danach streben wir das Genehmigungsverfahren an. Letztlich gehe ich nach derzeitigem Stand von einer Fertigstellung noch in 2023 aus.
- Das scheint ein beeindruckend ambitionierter Plan zu sein. Ich würde gerne noch ein anderes aktuelles Fachthema ansprechen: Sie kommen gerade von einer Fachtagung der „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen“ (AGFK) in Osnabrück zurück. Welchen Stellenwert hat der AGFK für Meppen? Und: Gibt es Neuigkeiten in der Sache?
Der Stadt Meppen ist es wichtig die Nahmobilitätsoffensive und die Fahrradfreundlichkeit weiter voranzubringen. Deshalb macht die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen total Sinn. Wir glauben, dies ist der richtige Schritt im Gesamtkonzept der Mobilitätswende. Überdies stellt die AGFK hat eine gute Netzwerkstruktur dar, die bei der Entwicklung fahrradfreundlicher Konzepte hilfreich ist. Als Stadt Meppen streben wir die Zertifizierung als Fahrradfreundliche Kommune an.
- Warum nicht sofort?
Ich halte wenig von Schnellschüssen, denen dann die Solidität fehlt. Es ist sinnvoller, zunächst einmal an den Voraussetzungen zu arbeiten, um dann auch inhaltlich dem Zertifikat „Fahrradfreundliche Stadt“ gerecht werden zu können. Dabei sind ist mir wiederum die Auswertung der Onlinebefragung wichtig, die auch diesbezüglich in unsere nächsten Schritte einfließen soll.
- Das ist dann immer noch ein recht sportlicher Anspruch an die Arbeitsgeschwindigkeit.
Allerdings! Insbesondere, da hierbei noch Problemzonen wie die Situation B70 / Schleuse und die genannte Hubbrücke einer fahrradfreundlichen und verkehrssicheren Lösung bedürfen. Wir nehmen unseren Anspruch, den Weg zu einer fahrradfreundlichen Kommune zu bewältigen sehr ernst.
- Dem kann ich nichts hinzufügen. Eine letzte Frage: Die Stadt Meppen hat grade das Stadtradeln 2022 abgeschlossen. Wie ist Ihre Bilanz?
Ich finde es erfreulich, dass sich die Teilnehmendenzahl verdoppelt hat. Schön wäre es, im Jahr 2023 die Zahl der Teilnehmer*innen auf über 1.000 zu steigern.
- Das könnten Sie doch mit der Beteiligung der Schulen im Handumdrehen bewerkstelligen.
Mit dem Stadtradeln wollen wir stärker die Alltagsradelnden und jene ansprechen, die bislang eher dazu neigen, das Auto für die Nahmobilität in und um Meppen herum zu nutzen. Auch hier liegt unser Fokus darauf, mehr Menschen auf’s Rad zu bekommen.
- Dem kann ich als Vertreter des ADFC Emsland nun wirklich nichts mehr hinzufügen und bedanke mich für das Gespräch.
Das Interview wurde am 2. Juni 2022 durch Andreas Wotte vom ADFC Kreisverband Emsland geführt.