Fahrradklimatest 2022 im Emsland

Mit Spannung erwartet: Der Fahrradklimatest 2022! Wie steht es um die Fahrradfreundlichkeit der emsländischen Städte Lingen, Meppen und Papenburg? Hat sie sich verbessert? Alle Fakten und Zahlen zum FKT 2022 im Emsland und Rest der Republik:

Neuer Rekord beim Fahrradklimatest 2022! Insgesamt haben bei dem 10. Fahrradklimatest rund 245.000 Radfahrende teilgenommen. Das sind 15.000 mehr als 2020 – und so viele wie nie zuvor. Sie haben 1.114 Städte und Gemeinden bewertet. Auch das ist ein neuer Rekord (2020: 1.024; 2018: 683, 2016: 539). Verdreifacht hat sich die Zahl der Orte unter 100.000 Einwohnenden, die die Mindestteilnahmezahl erreicht haben.

Fahrradklima weiter unbefriedigend

Die Bewertungen der Teilnehmenden sind ernüchternd: Die Fahrradfreundlichkeit hat weiter leicht abgenommen und ist nur ausreichend. Insbesondere ist eine Stagnation auf dem Land festzustellen: Hier ändert sich das Fahrradklima nicht spürbar. Zwar sind die Bedingungen zum Radfahren hier besser als in den großen Städten, weil mehr Platz vorhanden ist und es weniger Konflikte mit Autos gibt, doch von einer Verkehrswende ist im ländlichen Raum nicht viel zu spüren.

Diese Punkte wurden 2022 am besten bewertet:

  • Erreichbarkeit des Stadtzentrums, Note 2,7
  • In Gegenrichtung geöffnete Einbahnstraßen, Note 2,7
  • zügiges Radfahren, Note 3,1

Diese Punkte wurden 2022 am schlechtesten bewertet:

  • Breite der Wege für Radfahrende, Note 4,7
  • Falschparkkontrolle auf Radwegen, Note 4,7
  • Führung an Baustellen, Note 4,7

Aber wie sieht es für das Emsland und den Nordwesten aus?

Die guten Nachrichten zuerst: Nordhorn konnte den 1. Platz mit Note 2,8 verteidigen (unter den Städten von 50.000 bis 100.000 Einwohner:innen). Und das zu recht: Nordhorn hat nicht nur 25 Euro pro Einwohner:in und Jahr für den Radverkehr über etliche Jahre investiert, die Stadt hat auch intelligente und kostengünstige Lösungen für den Radverkehr entwickelt. Das fängt bei der Signalisierung von Pollern an, geht über Radverkehrsführung im Kreisel bis zu den ARAS (Aufgeweitete Radaufstellstreifen) vor Ampelanlagen und dem Abschaffen der Bettelampeln.

Ebenso sind Lingen, Meppen und Papenburg im Ranking aufgestiegen: Lingen (Platz 26 statt 34), Meppen (Platz 37 statt 146) und Papenburg (Platz 204 statt 306).

In der Städtegruppe von 50.000 bis 100.000 Einwohnenden liegt Lingen jetzt mit Platz 26 (vorher 34) im oberen Drittel der Gruppe und hat sich mit einer Gesamtnote von 3,79 (vorher 3,82) leicht verbessert. Lingen steht insgesamt also gar nicht so schlecht da. Schauen wir uns das mal im Detail an:

Am schlechtesten in Lingen bewertet nach Schulnoten:

  1. Öffentliche Fahrräder = 5,0.
  2. Fahrradmitnahme im ÖPNV = 5,0.
  3. Falschparkerkontrolle auf Radwegen = 4,7.

Am besten in Lingen bewertet nach Schulnoten:

  1. Radfahren durch Alt & Jung = 2,3.
  2. Erreichbarkeit des Stadtzentrums = 2,4.
  3. Geöffnete Einbahnstraßen = 2,4.

Das Positive zuerst:

Die Erreichbarkeit der Innenstadt per Rad wird ebenso positiv bewertet, wie die Errichtung von Radabstellanlagen, was zu einer leicht verbesserten Bewertung geführt hat (3,5).

  • Die große Mehrheit (98%) jedoch fühlt sich beim Rad fahren in Lingen nicht sicher (3,9). Das hat sowohl mit der fehlenden Kontrolle von Falschparker auf Radwege (4,7), wie auch mit der  schlechten Führung an Baustellen (4,6) zu tun.
  • Ebenso wenig bleiben dürfen die zu schmalen Breite (4,7) und Oberflächen der Radwege (3,9). Hier muss die Stadt Geld in die Hand nehmen.
  • Kostengünstig kann die Stadt mit den Ampelschaltungen für Radfahrer (4,4) punkten. Die Bedarfsampeln sind ein Relikt aus der Zeit des Autowahns.

Meppen kletterte bei den Städten von 20.000 bis 50.000 Einwohnenden vom Platz 146 (2020) jetzt auf den Platz 37 und ist damit im Ranking ganz weit vorne, auch wenn sich die Schulnotenbewertung lediglich von 3,79 auf 3,47 verbesserte. Nicht nur die neuen Fahrradbrücken über Ems und Hase spielten hier eine Rolle. Ebenfalls kann die Einführung temporärer Fahrradzonen, wie auch die umfassende Befragung der Bevölkerung zu ihren Verbesserungswünschen genannt werden. Meppen ist also auf einem guten Weg. Dennoch muss die Stadt weiter dran bleiben an der Verbesserung:

Am schlechtesten in Meppen bewertet nach Schulnoten:

  1. Öffentliche Fahrräder = 4,5.
  2. Fahrradmitnahme im ÖPNV = 4,5.
  3. Ampelschaltungen für Radfahrende = 4,4.

Am besten in Meppen bewertet nach Schulnoten:

  1. Geöffnete Einbahnstraßen = 2,1.
  2. Erreichbarkeit des Stadtzentrums = 2,2.
  3. Radfahren durch Alt & Jung = 2,4.

Meppen ist also auf einem guten Weg, der weiterhin die Verbreiterung der Radwege (4,3) auf dem Zettel hat, wie die Verbesserung der Oberflächen (4,3). Auch wird das Fahren im Mischverkehr (4,1) ebenso unangenehm wahrgenommen, wie Konflikte mit PKWs (4,0).

Konkrete nächste Schritte können wie folgt aussehen:

  • Die Fahrradüberwegung an der Kreuzung Schleuse/ B70 ist seit Jahren das Ärgernis schlechthin. Es gab zwar schon mehrere Anläufe. Nun hört man aber schon seit einem dreiviertel Jahr nichts mehr davon.
  • Der Zustand vieler Radwege (Oberflächen und Breite = Note 4,3) ist immer noch besser als in Papenburg, aber dennoch zum Erbarmen. Hier hat sich in den letzten Jahren so gut wie nichts getan, wenn man mal von Sanierungsprojekten wie der Fürstenbergstraße absieht, in deren Zuge die beidseitigen kombinierten Rad- und Fußwege neu gepflaster wurden: Jeweils ca. 200 Meter.
  • Bettelampeln sind auch in Meppen ein großes Ärgernis und verhindern in bekannter Marnier das zügige Durchfahren der Stadt. Dies ist den Fraktionen durch uns auch bereits nahegelegt, bislang aber noch nicht in Anträge umgesetzt worden. Dabei wäre die Umsetzung auch ohne Ratsbeschluss von der Verwaltung kostenarm umsetzbar.

Ebenfalls verbessert - und zwar von Platz 306 (2020) auf Platz 204 von 447 - hat sich Papenburg, befindet sich aber mit einer Schulnote von 3,94 (vorher 4,14) nur im Mittelfeld der Städte von 20.000 bis 50.000 Bewohner:innen. Im Kreisvergleich liegt die Fehnstadt also weiterhin hinten. Die Verbesserung im Gesamtranking erklärt sich zum Teil durch die verbesserte Kommunikation von Radfahrthemen, zweifelsfrei aber auch durch die Einrichtung der Fahrradstraßen sowie deren angekündigte Ausweitung. Offenbar setzen die Teilnehmenden ebenfalls auch Vertrauen in die neue Bürgermeisterin und hoffen auf frischen Wind und Taten bei der Verbesserung der städtischen Radfahrsituation.

Am schlechtesten in Papenburg bewertet nach Schulnoten:

  1. Oberfläche der Radwege = 5,4.
  2. Breite der Radwege = 4,9.
  3. Fahren auf Radwegen = 4,8.

Am besten in Papenburg bewertet nach Schulnoten:

  1. Erreichbarkeit des Stadtzentrums = 2,2.
  2. Radfahren durch Alt & Jung = 2,2.
  3. Zügiges Radfahren = 2,4.

Was ist zu tun?

  • Papenburg hat stadtweit weiterhin ein erhebliches Problem mit dem Zustand der Radwege. Sowohl die mangelnde Breite, wie auch die katastrophalen Oberflächen zeugen von einer jahrzehntelangen Vernachlässigung. So wird der Komfort beim Radfahren mit 4,7 benotet.
  • Ebenfalls scheint der Stellenwert des Radverkehrs (4,4) keine ausreichend große Rolle zu spielen. Dies zeigt sich im Verhalten der PKW-Fahrenden ebenso, wie in vielen Verkehrsregelungen, in denen die Führung des Radverkehrs bewusst dem Komfort für den Kraftverkehr untergeordnet werden. Entsprechend wird das Sicherheitsempfinden beim Radfahren mit 4,3 bedenkenswert schlecht benotet.
  • Schlecht abgeschnitten hat die Stadt bei den sog. Bettelampeln mit Note 4,7. Papenburg kann also jenseits der kostenintensiven Maßnahmen viel für den Radverkehr durch intelligente Verkehrsführung, wie z.B. der sichtbaren Einbindung der Radfahrenden in den Straßenverkehr erreichen. Da lohnt sich ein Blick in die Praxis des Musterschülers Nordhorn.

Spelle ist beim Fahrradklimatest in der Gruppe der Gemeinden mit unter 20.000 Einwohner:innen das erste Mal dabei. Mit Platz 97 von 418 und einer Gesamtnote von 3,6 liegt die südlichste Gemeinde des Emslandes im obersten Viertel dieser Gemeindegröße. Herzlichen Glückwunsch!

Am schlechtesten in Spelle bewertet nach Schulnoten:

  1. Öffentliche Fahrräder = 5,4.
  2. Fahrradmitnahme im ÖPNV = 5,2.
  3. Falschparkerkontrolle auf Radwegen = 4,9.

Am besten in Spelle bewertet nach Schulnoten:

  1. Radfahren durch Alt & Jung = 2,0.
  2. Erreichbarkeit des Stadtzentrums = 2,1.
  3. Zügiges Radfahren = 2,4.

Einiges tun kann Spelle bei der Breite der Radwege (4,2) wie bei den Ampelschaltungen (ebenfalls 4,2). Insgesamt kann der Komfort beim Radfahren noch verbessert werden.

Alle Ergebnisse stehen wie immer in unserer blauen Infobox zum Download bereit.

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