Viel zu schmal! Lingener Fußgänger- und Radfahrbrücke Schwedenschanze
Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Viel zu schmal im Begegnungsverkehr ist der Radfahrstreifen. Neuer Trennstreifen auf der Fußgänger- und Radfahrbrücke an der Schwedenschanze in Lingen führt nun zu Problemen.
Die gute Nachricht zuerst:
Eigentlich sollte nun alles besser sein. Die Fußgänger:innen- und Radfahrer:innen-Brücke von der Jakob-Wolff-Straße Richtung Schwedenschanze ist mit einem neuen Belag versehen worden. Nachdem jahrelang für zu Fuß Gehende und Radfahrende nur ein alter und durch viele Reparaturen holpriger Belag existierte, finden wir nun endlich eine komfortable Asphaltdecke. Sehr angenehm!
Wo ist dann das Problem?
So positiv diese Nachricht für die Fahrradfahrer:innen klingt, so unverständlich ist die Tatsache, dass die Stadt nunmehr eine durchgezogene Linie auftragen ließ, die den Fuß- und Radverkehr voneinander trennen soll. Eine durchgezogene Linie auf einer Fahrbahn ist ein Verkehrszeichen, nämlich das mit der Nr. 295. In der StVO heißt es dazu: „Wer ein Fahrzeug führt, darf die durchgehende Linie auch nicht teilweise überfahren.“ Das gilt nun also auch für die Radfahrenden, die diesen Radweg nutzen.
Was das für die Radfahrenden bedeutet, zeigen die folgenden Bilder:
Rechnen wir mal nach:
Durch die strikte Trennung beider Bereiche bleibt den Radfahrenden so nur eine Fahrbahnbreite zwischen 2,40 m und 1,80 m. Und das auf einem Zweirichtungsradweg. Das heißt an der ungünstigsten Stelle: Für jedes Fahrrad steht nur eine Breite von 90 cm zur Verfügung. Laut Verwaltungsvorschrift zur StVO muss ein baulich angelegter Radweg mindestens 1,50 m breit sein. Über die Breite eines Zweirichtungsradwegs heißt es, sie müsse einschließlich der seitlichen Sicherheitsräume durchgehend in der Regel 2,40 m, mindestens 2,0 m betragen. Dass 2,40 m oder gar 2,00 m für zwei sich begegnende Fahrräder mit Anhänger oder aber zwei Lastenräder viel zu schmal sind, leuchtet jedem ein. 1,80 m geht aber gar nicht! Somit widerspricht diese Verkehrsführung also zumindest teilweise den gesetzlichen Vorgaben. Zu Fuß Gehende müssen mit 1,6 m auskommen, was auch zu wenig ist, vor allem wenn sich Menschen mit Rollator, Regenschirm oder Kinderwagen begegnen. Dann ist ein Ausweichen auf den Radweg geradezu vorprogrammiert.
Neue Regelung führt zu neuen Bußgeldern
Viel ärgerlicher ist aber, dass mit dieser Maßnahme eine vorher funktionierende Regelung nun kassiert worden ist: Bis dato gab es lediglich farblich unterschiedliche Beläge. So konnten Radfahrende und Fußgänger:innen im jeweiligen Begegnungsverkehr kurzzeitig auf die andere Seite ausweichen, ohne dabei eine Ordnungswidrigkeit zu begehen – eine Ordnungswidrigkeit, die nunmehr mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Muss also einer der Radfahrenden ausweichen, so ist er bzw. sie gezwungen abzusteigen und das Rad auf der für Fußgänger:innen vorgesehenen Seite zu schieben.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht
Änderungen in der Verkehrsführung machen Sinn, wenn der Verkehr dadurch komfortabler, flüssiger und vor allem sicherer gemacht wird. Nichts von dem bietet aber hier die durchgezogene Linie. Abgesehen davon, dass es sich bei der Brücke nicht um einen Unfallschwerpunkt handelt, können durchgezogene Linien den Verkehr unter Umständen sogar gefährlicher machen: Diese Linie suggeriert: „Hier ist mein Platz, hier darf kein anderer sein.“ Das kann dazu führen, dass weniger aufeinander geachtet wird. Nicht zuletzt deshalb werden immer wieder so genannte „Shared places“ eingerichtet: Verkehrsflächen, auf denen keine Verkehrszeichen eine Verkehrsführung vorgeben, so dass jede und jeder gezwungen ist, aufeinander Rücksicht zu nehmen.
Wie es gehen kann, zeigt die Bahnunterführung zwischen Kaiserstraße und Bernd-Rosemeyer*-Straße: Hier gibt es keine Vorgaben, Radfahrer:innen und Fußgänger:innen teilen sich den Verkehrsraum und achten aufeinander. Rücksichtslosigkeit gibt es natürlich sowohl dort als auch auf der beschriebenen Brücke. Die verhindert man aber auch nicht durch das Verkehrszeichen Nr. 295.
Fazit:
Wenn unbedingt gewünscht, hätte es auch eine gestrichelte Linie getan.
* Unerfreulicher Sidefact
Die Bernd-Rosemeyer-Straße hieß bis zur Umbenennung durch die Nazis im Jahr 1938 Bahnhofstraße. Trotz Rosemeyers Mitgliedschaft in der SA und SS, zuletzt im Rang des Hauptsturmführers, stimmte noch im Jahr 2022 die Mehrheit des Lingener Stadtrates gegen eine Änderung des Straßennamens.