Bedarfsampel an der Wilhelm-Berning-Straße in Lingen

Bedarfsampel an der Wilhelm-Berning-Straße in Lingen © Theresia Debeerst-Debevere

Bettelampeln in Lingen

Schluss mit den Bettelampeln! Diese Forderung des ADFC Lingen fand fraktionsübergreifende Zustimmung im Ausschuss für Planen, Bauen und Mobilität des Lingener Rates. Bald schon könnten Sensoren für flüssigen Radverkehr in der Stadt sorgen.

Antiquiertes Verkehrsgesetz

Allgemein bekannt ist mittlerweile die strikte Fokussierung des Straßenverkehrsgesetzes auf das Auto. Die hier festgesetzten Grundlagen machen seit Jahrzehnten eine Gleichberechtigung des Radverkehrs gegenüber dem Kraftverkehr weitgehend unmöglich. Nicht umsonst setzt sich der ADFC seit vielen Jahren für eine Reform des Gesetzes ein, damit die Verkehrs- und Mobilitätswende, die wir für lebenswertere Städte und den Klimaschutz brauchen, eine Chance hat.

Zu den Stilblüten, die dieses Gesetz ermöglichte, gehören die sogenannten Bedarfsampeln, besser bekannt als Bettelampeln, für zu Fuß Gehende und Radfahrende. Während Lkws, Pkws, Motorräder, Mofas und Mopeds sich auf regelmäßige Grünphasen verlassen können, muss der Fuß- und Radverkehr erst mit einem Tastschalter eine Grünphase anfordern, selbst wenn in der gewünschten Richtung der Kraftverkehr bereits Grün hat. Das führt dazu, dass unter Umständen ein ganzer Zyklus vergeht, bevor die Wartenden endlich bei Grün über die Kreuzung kommen. Grade für unsere jüngeren Mitmenschen ein schwer abzuwartender langer Zeitraum.

Initiative des ADFC im Ausschuss für Planen, Bauen und Mobilität

Dem Lingener ADFC war eine Änderung hier schon lange ein Anliegen. Etliche Lichtsignalanlagen (LSA), wie die Ampeln in der Fachsprache heißen, verhindern flüssigen Radverkehr in Lingen. Mit Helmut Reimann, dem verkehrspolitischen Sprecher des ADFC Lingen, hat die Ortsgruppe einen beratenden, aber leider nicht antragsberechtigten Sitz im genannten Ausschuss der Stadt. Erfreulicherweise stellte nun die Fraktion der Grünen in der Sache einen entsprechenden Antrag.

Entsprechend konnte Helmut Reimann am Beispiel einer bekannten Kreuzung im Ausschuss das Problem erklären: Kommen Radfahrende aus der Wilhelm-Berning-Straße um die Georgstraße zu überqueren, wird es kompliziert. Denn diese müssen naturgemäß die rechte Fahrspur benutzen. Das heißt, sie müssen zunächst an der Wilhelm-Berning-Straße die Straßenseite wechseln. Nach der Querung der Georgstraße per Bedarfsampel dürfen sie dann wieder warten. Denn nun ist die Schützenstraße zu überqueren, um regelkonform auf der rechten Fahrspur weiterfahren zu können.

Weitere Beispiele seien die Kreuzung der Bernd-Rosemeyer Straße mit der Brücke An der Kokenmühle bzw. der Jakob-Wolff-Straße. Besser wäre es, den Radverkehr mit eigenen LSA oder mit den Lichtzeichen des Kfz-Verkehrs zu leiten. Damit es noch komplizierter wird, sind die Anforderungstasten fast immer nur in einer Fahrtrichtung erreichbar. Das bedeutet für den Radverkehr: In der anderen Fahrtrichtung muss auf die linke Seite gewechselt werden. Dort muss dann, wie im oben genannten Beispiel erneut das Lichtsignal angefordert werden, um dann nach der Überquerung nochmals die Seite zu wechseln, um auf der richtigen Seite weiterzufahren. Es sind also nicht weniger als drei  90°-Wendungen gefordert – um geradeaus zu fahren!

Das ist genau der Irrsinn, der sich aus der bisherigen Kfz-orientierten Verkehrsplanung für Radfahrer:innen und Fußgänger:innen ergibt.

Sensoren in Rad- und Fußweg

Ebenso wie die Sensoren für den Kraftverkehr könnte es diese für den Rad- und Fußweg geben. So könnten diese dafür sorgen, dass Radfahrende wie auch der Fußverkehr schneller Grün bekämen. Technisch gesehen könnte damit sogar der Rad- und Fußverkehr gegenüber den Verbrennern, sprich dem Kfz-Verkehr eine grüne Welle eingerichtet werden. Dazu brauchen vor allem jedoch die zu Fuß Gehenden längere Grünphasen, die nach dem Expertenrat Reimanns in dem Ausschuss ebenfalls zu kurz sind.

Ende gut, alles gut?

Nach weitergehenden Vorschlägen von Marc Risse von den "Bürgernahen" zur Einrichtung von Nässesensoren, dem Hinweis Jürgen Herbrüggens von der CDU hinsichtlich der Kostenermittlung, sowie der Einschätzung des Ersten Stadtrats Lothar Schreinemacher - „Vom Grundsatz her sind Sensoren für den Radverkehr vernünftig“- stimmte der Ausschuss einstimmig für den Antrag der Fraktion der Grünen. Nun beauftragt der Ausschuss die Verwaltung, eine Übersicht der in Frage kommenden Ampelanlagen zu erstellen, Kosten zu ermitteln und die „Sinnhaftigkeit" zu überprüfen.

Wir sind also gespannt, wie sich die Sache in Lingen entwickelt. Vom Standpunkt einer modernen Verkehrsplanung, wie aus Sicht der von allen demokratiestützenden Parteien angesagten Verkehrswende kann es jedoch an der Sinnhaftigkeit der Maßnahme keine Zweifel geben.

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